Gütersloh

 Für Thomas S.



Gütersloh. Wenn dir dort dein neuer Arbeitsplatz zugewiesen werden sollte, dann, tja, verkauf deinen überflüssigen Besitz, trag den Rest zum Trödler oder in ein Antiquariat deines Vertrauens, und pack zusammen! Pack deine gewaschene, selbstgebügelte, fein zusammengelegte Wäsche mit Handtüchern, Kernseife, Zahnbürste, Pinsel und Rasierklinge in den Seesack und den Koffer, nun begieb dich direkt dorthin, zieh nach Gütersloh, ins öde leere hoffnungsprall trostlose Nirgendwo. "Du bist jung!" sagen die bärtigen alten Männer und strahlen dich an, mit knarrendem Gelächter, hustend auf die guten Zigaretten, die morgens auf nüchternen Magen schon ein Leben lang am besten schmecken. "Bist jung, da kann man noch! Weißt du, Junge? Egal was!"


Du stolperst bei der Abreise über ein Plakat. Das hing gestern noch. War an eine triste Betonmauer geklatscht worden, daß es da 'ne Weile anpappte, dann fiels runter. Ein Liebespaar ist drauf. Das Photo ist schwarz/weiß, zwar. Sommerleuchten umgibt die zwei. Beide halten sich, zueinander loyal, aufeinander eingeschworen, die Gesichter aneinandergeschmiegt in Armen, schmunzeln dich an, aus dem Plakat heraus, die Tritte und die Fußabdrücke all derer, die da längst drübersteigen mußten, oder sich gehässig drauf die dreckigen Stiefel putzen, stören beide nicht im geringsten. Eine andere Welt, in Schwarz/Weiß, drüben, wo die beiden in Sicherheit sind, drüben, auf ihrer Seite des Plakats, wie durch ein Fenster hindurch in die Trübsal der Realität hereinlächelnd,... Irgendein Reklamescheiß, Kitsch eben, wer will sowas denn sehen, ausgerechnet jetzt? Auf dem Weg aus einer tristen Heimat heraus ins ferne fremde Gütersloh...


Gütersloh! Das klingt nach Güterbahnhof, rostigen Schienen, nach Leberkäs-Brötchen mit Senf und Thermoskaffee in der Frühstückspause, nach Lagerhallen, Euro-Paletten, nach Kisten, Gabelstapler, nach um fünf Uhr aufstehen, nach Mietshäusern, Autoabgasen, plattgetretenen Kaugummies auf den Trottoirs, und es klingt nach für immer Herbst! Dort grünen keine Bäume, die bleiben kahl das ganze Jahr über, die Bordsteine grau, die Häuserwände fensterreich und abweisend, nachts und im Morgengraun in Nebel gepackt. Was kann man da erwarten? Lange dreckige Winter. Verregnete diesige Sommer, die nur wieder in einem naßkalten Herbst enden werden. Kann man da erwarten. "Feuer?" - "Gib mir auch eine."


Nach dem Regen ist vor dem Regen, eiskalt, die Klingelknöpfe, an den Leisten in der Vorstadt, sind alle abgewetzt, du bist der erste nicht, der dort schellt, und in jedem Haushalt, den man besucht, fast immer irgendwo oben, die engen Treppenhäuser rauf, noch ein Stockwerk, noch eins, sitzt man in der Küche, mit der Zigarettenschachtel vor sich, bei Bier, wieder Fleischwurst mit Senf und Kaffee, während einer auf dem Klo nebenan raucht und Zeitung liest, die Kaffeemaschine röchelt auch wieder, und jedes zweite Wort der Männer zwischen ihren Gelächtern lautet "Scheiße", meint zumindest kopfschüttelnd die rauchende und in der Erbsensuppe rührende Hausfrau mit der kellertiefen Stimme. "Gib ma Feuer, Erna! Hab wieder mein Feuerzeug im Betrieb liegen lassen, Scheiße auch!" - "Meinen guten Kuli neulich auch, ne? Mir aufgefallen, als ich kreuzworträtseln wollte, wa?" - "Ja, scheiße das!" - "Paß halt besser auf, du! Schlafmütze!"


Manchmal wohnt eines auch unterm Dach, aber, mal ehrlich, in jedem Haushalt stinkt es, Lüften bringt da nix, und die Wohnungen sind eng. In der Etage unterm Dachboden ist die Heizung wieder ausgefallen, obwohl man da etwas lauter sein darf, beim Lachen, Erzählen, Musikhören, Trinken, Rülpsen, Husten, Tabak drehen und Rauchen, auch mal etwas lauter auf Klo. "Macht was aus. Ist einfach besser." - "Nee, nee du, Damenbesuch? Is bei mir nich. Ja, schön wär's. Ich tu gerne mal laut Musik hören und tu gern entspannt kacken, dat is alles. Noch'n Biar?"


In Gütersloh hallen die Unterführungen, gerade nachts, eine Bierfahne hilft, wenn es wie immer regnet, glitzern Lichter blendend auf dem feste und laut getretenen Asphalt, alle Passanten blinzeln, haben es eilig, denn in Gütersloh kennt man sich nicht, gerade wo es dort eh immer viel zu früh dunkel wird!


In Kneipen starren betrunkene Männer böse in ihr Bier, sie haben gut gelernt, daß man in einer Wirtschaft nicht miteinander spricht, und daß ein echter Mann keiner Gespräche bedarf, nur einer lauten Stimme, um "Halt die Klappe! Trink dein Bier, wie jeder andere auch!" zu schreien, in Gütersloh, und das Herumsitzen in den Bars, Cafes und den Restaurants mit den Riesenaschenbechern, den rot/weiß - karierten Tischdecken, den kupfernen Hänge-Lampen kostet Zeit und Geld, man muß die fremden Leute respektieren, sie möchten ihre Ruhe und sind auch schon lange, lange nicht mehr jung. 


Man schaut deprimiert auf surrende Spielautomaten. Wenn Musik läuft, ist die so schäbig langweilig ("isch will disch lieben, will imma bei dier sain, nur du allaain, baaai mier..") wie die vielen grauen Nachmittage. Die alle "Gütersloh" heißen, schenkt man den saufenden herumlungernden, rotgesichtigen vollglatzigen Dickschädeln Glauben, während die Spielautomaten wie gelangweilte alte Puffmütter ihr "düddeldüdd, düddeldüdd, blublu, blublu, blu!" machen, bis man wieder was reinschmeißt, damit sie surren, aber leider selten Münzen werfen. Feierabend. Feierabend in Gütersloh. Wenn es erst dunkel geworden ist, wird dir nicht mehr schlecht davon, daß du zur Zeit ein wenig zuviel rauchst...


Trotzdem, keine Sorge: "Vergeßt es! Es wird ihm kein Arbeitsplatz zugewiesen, niemals, in irgendeinem fernen Gütersloh! Dem doch schon gar nicht, der armen Haut. Gute Arbeitsplätze gibt es kaum noch!" sagen die Leute daheim auf dem Dorf, längst immer noch, obwohl du fort bist. Sie lachten laut und herzlich, als dich dann einige doch noch auf der Straße abfangen und stellen konnten, während du dich fortstehlen wolltest: "Seesack? Koffer? Du? Du warst ja noch nicht einmal in Amerika, nie in Indien oder an der Adria, und bist nur mal mit einer Tante als Kind ein paar Tage an der Nordsee gewesen und mit den Eltern in Mannheim, in Frankenthal, in Heilbronn, am Starnberger See und am Bodensee. Das kostet ja alles immerhin Geld!"  ..und du träumst von einem Mädchen in einem Schwimmbad in einem fernen Gütersloh. Denn wer weiß?


Denn auch in Gütersloh würde es doch einmal Sommer und dann würden sie rauschen dort, die kahlen Bäume, und leuchten, die fensterreichen Mietshäuser, mit lauter Blümchen, in Töpfen auf den Fensterbrettern, und sie würde dort scheinen, die Sonne! Und du würdest schellen dort, da, wo sie wohnt! Und da summt die Tür nach dem Schellen anders, nicht so verkatert, wie bei einem von den langweiligen Kollegen aus dem Betrieb, die noch im Bett liegen mit dem Kater von gestern, die Matraze umgeben vom Leergut und überquellenden Aschenbechern... und sich, "ganz klar, Mann!",  freuen, daß sie noch einer besucht. "Rauchen wir erstmal eine, da wird einem zwar schlecht von, aber hernach wird man wach. Ich koch dann gleich Kaffee! Was? Wieder kein Feuer? Mach den Gass-Heard ahn! Harrharr! Scheiße auch, immer!"


Nein. Dieses Mal ist es anders: Du schellst, und da oben drückt dir "eine Sie" die Tür auf! Unglaublich! In Gütersloh haben die Leute noch schwarz unter den Nägeln, sind nicht so zimperlich und verwöhnt. Auch die Mädchen nicht. Auch die nicht, die Mädchen genannt werden wollen, obwohl sie längst Frauen sind. Frauen, die sich entscheiden können, und sich nicht zu fein sind, auch mal Bier zu holen. "Laß mal, muß ja nicht." Oder den ersten Schritt zu machen.  Mädchen, die auch noch nie in Amerika waren, nur mal an der Nordsee. Mädchen, die nicht wie das Finanzamt dein Einkommen untersuchen, Mädchen, die weder Bildungsquiz, Stadt, Land, Fluß noch Briefmarkensammlungen interessieren. Mädchen, die auch nicht wissen wollen, ob du dich kloppen kannst. "Waschen und rasieren aber könnteste dir mal!"


Aus der hellen Sonne trittst du zum Summen des Türöffners, der fröhlich "mööööööp!" gemacht hat, in einen dunklen Hausgang, rennst wieder die dämmerigen Treppenhäuser hoch, noch ein Stockwerk und noch eins, du rennst, weil sie sich so auf dich gefreut hat, und gewartet hätte sie auch, sagt sie, als du schon vor dir selber oben bist.... weil: Du hast dich vor ungläubiger und staunender Erwartung auf den Treppen selber überholt, der Tag ist einer ohne Vorsicht und ohne Rücksicht, das Leben im Sommer kennt keine Vergangenheit und Reue, kennt keine Zukunft und Sorge, weil es ist, denn es ist wirklich. Hier ist niemand. Zuhause!


Hier ist niemand. Blödsinn: "Wie geht es Dir?" Hier geht es niemandem! Raus, raus in die Straßen, meinetwegen ein Eis essen, ja, das ist sich doch gleich! Zweimal ein Eis! Zwei! Große! Portionen. Nur zwei? Zwei! Mit Schokolade, mit Nuß, mit Eierpunsch, mit Kokos und Karamell. Mit Sahne, na klar! Zwei? Zwei! Kinder? Zwei! Spielende Rehe! Zwei? Behagliche Katzen! Zwei? Balgende Hunde? Zwei? Hoppelnde Kaninchen! Zwei sind einmal mehr als genug! Soviele. Viele Stunden, die sich im Kreis drehen! Soviele Schatten, die wandern. Wandern über alles, was im Sommerlicht funkelnd träumt. Und vom lauen Wind gestreichelt wird. Vorhänge wehen, Wolken ziehen, Sonnenblinken durch blinzelnde Augen, ihr alle kennt es! 


Nichts mit "ich kenne dich, es ist immer dasselbe mit dir, hau ab!" Nichts mit "Laß mich...! Ich habe dein wahres Gesicht längst erkannt!" Nichts mit: "Es reicht! Verschwinde aus meinem Leben!", nichts mit "Mach die Tür auf, oder ich stecke das Haus an!", "Verlaß diese Stadt! Für immer!" -"Du hast noch vom letzten Jahr her im Salz zu liegen, Kollege!" Nichts davon! Und das will was heißen, wir sind in Gütersloh! Wo alle tristen Nachmittage so heißen, wie die Stadt. Nichts mehr davon: Das ist so klar und eindeutig, wie das frische Grün im Mai! Es ist niemand mehr da, um den ganzen Schmerz Güterslohs mitzufühlen und nichts dagegen tun zu können. Niemand mehr! Da!


Weil: "Da sagt man Halloooo!" ermahnt sie dich, und zieht dich bei der Hand durch sämtliche Parks und Straßen und Eiscafes, an sämtlichen schlechtgelaunten Leuten vorbei, die dich nie mögen, nie grüßen wollten: Alle die strahlen euch heute in diesen Tagen ungläubig, verwirrt und begeistert an, überrascht, entzaubert und bezaubert, erlöst und sanft verhext!


Die bitteren Männer sogar, bei Jägermeister und Bier beim Kiosk, ach, mitsamt den ganzen Leuten in ganz Gütersloh, die sich nicht kennen dürfen, weil sie längst gegenseitig ihre wahren Gesichter kennen, und nur noch in ihr Bier starren, müssen lachen. Einige haben unverhohlene Tränen in aus tiefsten Tiefen aufleuchtenden Augen, die für einen Augenblick nicht mehr müde wirken und längst vergessen geglaubte Lachfältchen zeichnen sich drumrum ab. Und das mit einem Mal offene Gesicht der traurigen Männer gilt nicht ihr, gilt nicht dir, es meint euch! Beide. 


Beschäftigte Passanten bleiben stehen, drehen sich um, alte Damen stemmen kopfschüttelnd schmunzelnd die Hände in die molligen Hüften. Schmallippige Geizige werden drei Sekunden lang nachdenklich, machen entgeistert auflachend "ha!?" Einfache helle Freude, soviel Glück, ungekünstelte Beschwingtheit: Wo immer ihr zwei hingeht, wird die Welt für ein paar Sekunden das "Nein" aus ihrem Wortschatz gestrichen haben. Als hätte niemand mehr an euch geglaubt, lange Jahre, und mit einem Mal ist das zu Ende, der ganze Spuk, auch zu Ende für alle, alle anderen! Als hätte die Welt gewartet. Auf euch! Als wäre es in Amerika, in Indien, in Heilbronn, an der Nordseeküste, in Frankenthal und am Starnberger See und sogar im Zentrum dieser Galaxie irgendwie spürbar: Ihr habt euch gefunden.


Im Schwimmbad auf die Wasserrutsche, Wurst mit Senf, Fruchtgummischnuller am Kiosk, Whirlbecken, Streicheln, Kraulen, Plantschen, Sprudeln, Sprühen, Prusten, Springen. Vom Drei Meter-Brett. Ihr seid hilfsbereit. Helft jemandem, sein verlorenes Portmonnaie wiederzufinden, es lag noch auf der Wiese, wo zuvor sein Handtuch drüberlag, ihr geleitet einen gehbehinderten Menschen zum Becken, und helft ihm nachher wieder heraus. Ihr tröstet ein weinendes Kind, und findet mit ihm die Mutti wieder. Der Bademeister lacht. Unkompliziert. Alles. Wie von selbst. Und jeder ist einfach, herzlich, direkt. Man hilft gerne, basta. Gütersloh eben!


Im Eingangsbereich vom Schwimmbad liegt ein Plakat auf den Steinplatten. Es ist heruntergefallen. Da ist ein graugesichtiger junger Mann drauf abgebildet. Er schaut zu Boden. Betrachterperspektive ist die Rückenlage, das Bild ist Schwarz/Weiß. Da schaut er auf euch traurig, auch ein wenig arrogant, herunter. Mit geschulterten Seesack, einem Koffer, einer Zigarette zwischen den Zähnen. 


Ihr hängt das Plakat wieder auf, ja, sie hat zufällig Klebeband aus dem Betrieb, wo sie in der Verpackung arbeitet, in ihrer Badetasche. "Damit nicht noch mehr kommende und gehende Badegäste auf den Mann drauftreten." Aus seiner ziemlich trübseligen, farblosen Welt, in der er gefangen ist, schaut er herein in eure sommerfröhlich helle Plantschi-Plantschi-Welt, die er nur als trügerische kitschige Augenwischerei, als komplett irreal, zurückweisen kann.


Ihr beiden haltet euch, entspannt vom Wasserrutschen, Herumtollen und Schwimmen, fest, zueinander loyal, aufeinander eingeschworen, die Gesichter aneinandergeschmiegt in den Armen. So seht ihr, schmunzelt mitfühlend neugierig das wieder an der Wand befestigte Plakat an. Ein immerwährend unabänderlicher Herbst, der bestenfalls zum naßkältesten Winter aller Zeiten werden kann, umgibt den Mann da drüben, mit seinem Koffer und seinem Seesack, auf der anderen Seite der Photographie, wo die Welt schwarz/weiß ist. Wer weiß, wohin er da aufbrechen muß. In eine ziemlich beschissene Gegend wohl. Der Arme.



Wenn es dann aber doch jemals wieder Winter werden sollte, dann ist es - jetzt  -  und zwar überall in dir und in ihr..  endlich - für immer -  Sommer. Auch in Gütersloh. Hand in Hand. Gebt ihr den tristesten Ecken verwunschener Gegenden ihre verlorene Schönheit zurück. Bringt Traurige zum Hoffen. Tragt den Alten Einkäufe nachhaus und lauft, wenn sie das große Portmonnaie zücken wollen! Hört euch Lebensgeschichten Einsamer an! Ihr habt keine Angst mehr vor verbitterten Menschen, Menschen, die schreien, kratzen, beißen, schlagen. Ihr denkt! An die Unglücklichen alle, wann immer ihr euch lieb habt. Weil ihr mitten in der Liebe seid. Unverwundbar. Sogar dort, wo hinter Parkhäusern die überquellenden Müllcontainer Einsamkeit verbreitend frieren, und böse Sprüche auf den Beton gesprüht werden, fürchtet ihr euch jetzt nicht mehr.


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Im Jahr 1989 studierte mein Freund Thomas in Hannover "Kult.-Päd.", Kulturpädagogik, einen inzwischen längst abgeschafften Studiengang. Eine seiner Arbeiten hat mich damals sehr fasziniert. Er hatte einen Clip gedreht. Ob der Clip noch existiert, ist unsicher. Die Handlung war umwerfend einfach, aber prall gefüllt mit Poesie. Die erste Hälfte des Filmchens war ohne Farbe, in Schwarz/Weiß gedreht. 

Handlung: Ein junger Mann, fast noch ein Junge, setzt in den tristen Gängen eines öden Kunstmuseums seine Sonnenbrille ab, die ihn zuerst etwas unnahbar und martialisch wirken ließ. Denn eine Photographie fasziniert ihn. Er selber scheint auf dieser Photographie abgebildet zu sein, aber mit einem wunderschönen Mädchen in seinem Alter, Gesicht an Gesicht geschmiegt. Das hübsche Mädchen zwinkert, und: Das Bild, die Photographie in der Ausstellung in den in Schwarz/Weiß abgefilmten Gängen des Museums wird plötzlich farbig. 

Die Szenerie dreht sich, der junge Mann, der erstaunt und fasziniert einen Bügel seiner Sonnenbrille an die Lippen hält, wird zum Schwarz/Weiß-Foto an der Wand des gleichen Museums, nur daß die ganze Szenerie jetzt in Farbe gedreht ist und das Pärchen jetzt im Museum Bilder betrachtet. Der junge Mann erschrickt, denn er scheint sich nicht sicher, auf welcher Seite der Realität er sich nun befindet! Und so dreht sich die Szenerie erneut.

Nachdenklich steht er wiederum in seiner tristen Schwarz/Weiß-Welt und das einzig Farbige im Film ist das Bild des Pärchens an der Wand des menschenleeren Museumsgangs. Er atmet durch und atmet auf, er scheint sich zu entscheiden. Und die Szenerie dreht sich zum dritten Mal.

Nun befindet er sich wieder auf der farbigen Seite der Welt, und der einsame junge Mann, der er ja auch ist, wird endgültig zur Schwarz/Weiß-Photographie. Und damit das auch so bleibe, nimmt das Mädchen den jungen Mann bei der Hand und beide verlassen händchenhaltend und hurtig das Museum, rennen die Freitreppe hinunter in eine sommerliche Allee mit Cafés unter grünen, rauschenden Ahorn - und Lindenbäumen. Zurück bleibt das triste Bild des Einsamen. Im Museum.

Darin war mir ein Versprechen, aber auch die Ermahnung angedeutet, daß - alle - Träume wahr werden können. Und daß wir hindurchgehen, durch triste Zeiten und bunte Zeiten. Bleiben? Nirgends...

Ich habe diesen Effekt etwas verändert in meine "Gütersloh-Geschichte" eingebaut, die auch ohne diese Metapher funktioniert hätte. Freilich nicht, um meinen Freund zu beklauen. Sondern um ihn zu ehren.


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