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Es werden Posts vom März, 2022 angezeigt.

Larven, Masken, Doppelleben

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Es gibt die kleinen unbedeutenden Menschen, deren Leben nur Kompromiß bleibt. Sogar die kurzen und glanzvollen Augenblicke solcher Randexistenzen, wo sich gerne so etwas wie Orginalität oder Genie andeuten möchte, sind inflationäre Blasen, die sehr bald, meist auch noch still und leise, wieder kollabieren.  Perlschnüre aus leuchtenden Tagen und Augenblicken ziehen vorbei, von der Substanz äußerst günstiger Zufallsbedingungen und einer bewußt ergriffenen, träumegeschwängerten Selbstüberschätzung, die eigentlich keine ist, sondern absichtlich wie ein Rausch in Kauf genommen wird. Zu selbstreflektiert, um nicht über die eigene Erbärmlichkeit genauestens Bescheid zu wissen, ergeben sich die kleinen unbedeutenden Menschen selig einem kurzen Wahn. Gönnen sich vielleicht einmal den Luxus eines Doppellebens und spielen Bastian Baltasar Bux, wie er sich nach Phantasien wagt.  Aber immer auf Sicht fahrend, um nicht von der Wand, auf die jedes irdische Glück nun einmal zusteuern muß, zu sehr über

Der Sensenmann. Hat geklingelt.

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 Höflichkeit scheint die letzte Grausamkeit aus voraufklärerischen Zeiten, die uns verblieben ist. Diese freundliche Bemäntelung, die beispielsweise den Abschied unserer Zivilisation von den letzten Lebenslügen mit solchen Worthülsen wie "leider" oder "zu unserem größten Bedauern müssen wir Ihnen mitteilen", "es tut uns leid" geradezu lüstern züngelnd ausschmückt, erinnert an einen Giftmischer, der noch einmal den präparierten rosa Pudding etwas zu kräftig nachsüßt.   Wo sind die Träume von Gerechtigkeit, Menschlichkeit, Großer Liebe, Freundschaft, bedeutungsreicher Begegnungen? Geschwisterlichkeit, wo das Andenken an Mentoren, die unsere Biographie entschieden beinflußt haben könnten? Oder wo ist die Tradition des Totengedenkens? Sogar diese schwindet. All diese Versprechen zerfallen oder werden in voller Absicht vorsorglich dekonstruiert. Höflichkeit nimmt keine Rücksicht auf Realität. Was ist Realität: Jeder Mensch hat seinen Preis. Eigentlich gibt es k

In einer Welt, die er nicht verstand ...

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"Nicht wahr? Es gibt keinen Gott?" hatten sie ihn gefragt, .. "Du glaubst doch auch nur das, was du siehst, oder?" .. und er wußte, es war ein Lauern in ihrer Frage, es war die übliche, die uralte Drohung. Was brauchten sie einen Gott? Sie hatten ihre Abmachung und sie verstanden sich. Und zuhause wartete jemand auf sie.  Er aber hatte niemanden. Und er besaß nichts, außer seiner Arbeit, von der er sich dankbar jeden Tag wunderte, sie erfüllen zu können! So, daß man ihn bezahlte. Und das war sehr viel. Dieses Gespräch im kahlen Aufenthaltsraum einer Firma war nun lange her. Jetzt stand er auf einem kleinen Balkon und blickte über die breite Hauptstraße einer Stadt. In der linken Hand ein Glas mit etwas eiskaltem Gin. In der rechten eine gute Zigarette. Heute war Vollmond. "Die Säufersonne!" Auf einer Anhöhe inmitten der weiten Landschaft seiner Erinnerungen blickte er in solchen Momenten rückwärts über die Jahre hinweg, und da zählte er die Schmerzen, denn

Gütersloh

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  Für Thomas S. Gütersloh. Wenn dir dort dein neuer Arbeitsplatz zugewiesen werden sollte, dann, tja, verkauf deinen überflüssigen Besitz, trag den Rest zum Trödler oder in ein Antiquariat deines Vertrauens, und pack zusammen! Pack deine gewaschene, selbstgebügelte, fein zusammengelegte Wäsche mit Handtüchern, Kernseife, Zahnbürste, Pinsel und Rasierklinge in den Seesack und den Koffer, nun begieb dich direkt dorthin, zieh nach Gütersloh, ins öde leere hoffnungsprall trostlose Nirgendwo. "Du bist jung!" sagen die bärtigen alten Männer und strahlen dich an, mit knarrendem Gelächter, hustend auf die guten Zigaretten, die morgens auf nüchternen Magen schon ein Leben lang am besten schmecken. "Bist jung, da kann man noch! Weißt du, Junge? Egal was!" Du stolperst bei der Abreise über ein Plakat. Das hing gestern noch. War an eine triste Betonmauer geklatscht worden, daß es da 'ne Weile anpappte, dann fiels runter. Ein Liebespaar ist drauf. Das Photo ist schwarz/weiß,

Engzellenhaft

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Ich habe geglaubt. Habe geglaubt, zu träumen. Ja, ich habe einer Welt vertraut, einer schönen, runden Welt. Nun gut, vertraut nicht im Sinne dessen, was wir unter Vertrauen in eine exakte und plausible Realität verstehen. Aber ich vertraute einer in aller Wirklichkeit vollständigen Welt der langen grauen Gänge, Hallen und Räumchen eines großen Gebäudes nüchterner Selbstlosigkeit: Meine Schule zuerst, dann die Stätte meiner Internierung als Lehramts-Kadett im Auszubildendungs-Zölibat, dann meine Kaserne, dann die Orte meiner Lehrtätigkeit. Am Ende stand ich mit weit geöffneten Augen mitten in einem lebenslangen Justizvollzug ohne einen Ausweg. Eine Welt, der ich anfangs aus Routine und opportuner Alltäglichkeits-Bodenständigkeit vertraute, in der ich dann allmählich mißtrauisch auf Distanz gehalten zur Seite geschoben, und schließlich als Unschuldiger eingebunkert und umhergeführt wurde als lebendige Akte. Gemustertes Objekt justizwissenschaftlicher Kühle, die an mir ihre Bewährung such