Der Brathähnchen-Krawall



Ein kaum frequentierter Brathähnchen-Imbißwagen einem düsteren Vorstadtbahnhof gegenüberliegend.      Darüber: Ein Schild mit großen roten Buchstaben:  

FREISCHWINKER´S GEFLÜGEL - IMBISS          

Darin: Ein Mann inmitten vieler Brathähnchen. Raphael und Melanie händchenhaltend von weitem daherkommend. Melanie trägt eine wuchtige schwarze Damenumhängetasche. Raphael in feuerroter Regenjacke. Der Mann mit einem ganz dicken Bauch, um den eine fleckige Schürze mit Striemen aus verbranntem Fett glänzt, mit einem sehr dicken Glatzkopf, mit dicken Lippen und einer dicken Brille mit schweren Hornbügeln und –Rändern ist soeben damit beschäftigt, eine Reihe Brathähnchen mittels einer langgezinkten Gabel von einem Spieß zu holen, als Raphael erwartungsvoll sich dem Stand zu nähern beginnt, Melanies Hand loslassend.

Melanie beginnt in ihrer wuchtigen Tasche das Portemonnaie zu suchen. Der Hähnchenmann legt den Bratspieß zur Seite, tritt ein wenig zurück, soweit es seine enge Wagentheke erlaubt und betrachtet mit schiefgelegtem Kopf liebevoll seine Brathähnchen- Serie und hält die langgezinkte Gabel dabei in Augenhöhe zwischen Daumen, Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand, während er den Ringfinger und den kleinen Finger zur Seite hält. Am Ringfinger leuchtet ein breiter, goldener Ehering. In dieser verzückten Haltung wippend verharrt er ein Weilchen, während Raphael vor der Theke ankommt. Der Hähnchenmann legt die Gabel zur Seite, legt den Spieß dazu, und reibt sich nun selbstbewußt seine Wurstfinger, während er Raphael, der sich das ganze Angebot, die Preistafel und die Wagenausstattung neugierig ansieht, frägt:


Hähnchenmann. Was derfs denn sain?

Raphael.  Ja, wissen Sie, bevor ich, also, ich wollt bloß erst mal wissen

Hähnchenmann.  Wenn se nix kaufen wollen und bloß was wissen wollen, gibt’s hier auch nix zu glotzen!

Raphael.  Ja wissen Sie, ich hab halt schon Hunger, aber wollt halt wissen, woher sie die Hühner..

Hähnchenmann.   .. die  H ä h n c h e n..!!!

Raphael.  Den Unterschied seh ich nu nich, 

Hähnchenmann.   Ich schon

Raphael.     ei, von woher sie die einkaufen, ob das nun

Hähnchenmann.  mir ham hier  e i n  S c h i l d  !!!  (deutet auf die rote Schrift „Freischwinkers etc.“ über seinen Kopf)

Melanie (hat endlich das Portemonnaie gefunden, tritt etwas selbstvergessen lächelnd heran).

Raphael.   Das sind ihre eigenen?

Hähnchenmann.   Ei freilich, und wenn sie hier noch weiter so saufresch sint, können se was erleben!!!

Raphael.  Ei, ich wollt doch bloß wissen, weil, ich eß die auch!  ...

 .... o b  d a s  B a t t e r i e h ü h n e r           s i n d ?!  Sie müssen ja schließlich wirtschaftlich denken, in soner Vorstadt –ärm- Bude da, wissen Sie, ich hab halt bloß Hunger  ...

 (Es nähern sich zwei Passanten und der dicke Mann beginnt aus aller Leibesfülle mit rollender Kellerstimme zu brüllen)

Hähnchenmann.  Ich zeig sie an wegen Geschäftsschädigung, meine Hühner sind freilaufende Hühner, freilaufend..

Melanie (beginnt etwas erschrocken zu gucken).

Raphael.    .. die Hähnchen! (eine Zornesfalte spielt allmählich um seine Stirn)

Melanie (stampft mit dem Fuß auf).  Raphaäll!  Behärrsche dich!

Raphael ( zu Melanie schauend mit dem Mundwinkel auf den Hähnchenmann zeigend).     Heißt der hier auch so wie ich!?

Hähnchenmann.  Du dreckiger, dreckiger, du rotziger Assozialer! Kennt net mal lesen hier! Verleumdung un Geschäftschädischung!!

Raphael.  He, kennen wir uns?!  Hab ich bei dir schoma gearbeitet?  Du beschäftigst bestimmt zum Hühnerstallmisten solche Assozialen wie mich und freust dich, wenn sie sich nicht wehren können, so wie deine Hinkel hier!

Melanie. Oh weh (sich umsehend):

(Es kommen mehrere etwas grobschlächtige Spaziergänger, dickere Männer und dickere Frauen mit vollgepackten Einkaufstüten und Kinderwägen, ein älterer Mann, etwas torkelnd, ein drahtiger Mann mit Boxernase, alle Richtung Bahnhof gehend.)

Hähnchenmann (mit weinerlichem Gesichtsausdruck, ebenso weinerlich kreischend): Daa, ear!!  Ear!  Geschäftschädiger!!  Misch beleidigt!

Melanie (zischend). Raphaäll!  (ausrufend) Halte ändlich an dich!

Ein Dicker (auf Raphael losgehend). Wassn loos! HÄ! ??

Zweiter Dicker (mit seiner dicken Frau, die einen Kinderrolly schiebt, stehen bleibend, zum Hähnchenmann rufend) . Wasn hier los, hatter gestoohlen? Gell?

Die dicke Frau des zweiten Dicken (mit dem Kopf bedauernd auf Melanie nickend):  Da!  Die Frau da belästischt, die so schreit!

Hähnchenmann. (solidarisch dem sich einstellendem Publikum zunickend)Das Geschäft wollder scheedische! Der Schlawiner!

Der ältere, leicht torkelnde Mann.   Hadder uff die Hähncher gschbuckt, gell!

(Es wird reihum geflüstert):  Der junge Kärl do hat uff die Hähnscher gespuggt!  Voll, voll druffgschbuggt

Oa,  soo 'e  Wutz,  schonne Schwainerei,  die junge Frau angschpuggt  

Die dicke Frau des zweiten Dicken. Waas? Angespuckt au noch, dieser Kotzbrocken..

Der erste dicke Mann wieder. Was is jetz hier wirklich los!!

Raphael (Den Offenbarungen der Volksseele fassungslos wie einem Tennismatch mit Kopf und Augen folgend, mit allmählich offener werdendem Mund).

Melanie (sieht Raphael böse an).

Zweiter Dicker ( will Raphael an der Jacke fassen, der weicht aber zurück): So, Froind, wasn hier loos.. Ha! Do her!  Kommst du her! Host Dreck am Stecke! Komm her!

Melanie (faßt den zweiten Dicken an der Schulter) Main Froind wollt ein Hähnchen kaufen, aufhören, 

Der ältere, leicht torkelnde Mann. Ja isser denn bedrungge?  Solle mer de Dokdor rufe?!

Hähnchenmann ( mit ausgebreiteten Armen, wie ein singender Dirigent). Da, der schäbige Assotziale wollt mir Badderiehühner unnterschieben !

Dabei wais jeeder, dasse Freigang hawwe, moi Häänscher, arr!

Zweiter Dicker (mit Melanie mit den Fingern ringend). Ja isser täätlisch gehsche Sie vorgegange!?

Hähnchenmann. Er hat Ruuufmord versucht, des raischt!

Die Frauen mit den Kinderwägen und Einkaufstüten haben inzwischen in sicherer Entfernung ein Knäuel gebildet und diskutieren von der Szene selber etwas zurückgezogen.

Die dritte Dicke. Isch weiß au net?  Der Mann hat scheints die Frau beläsdischt!

Die vierte Dicke.  Isch hab die vorhin noch händschenhaltend gesehe!  Dess: Is oin Be-tziehungsstreit, des sieht mer hoitzutaach sehr oft!

Der drahtige Mann mit der Boxernase hat inzwischen die tuschelnden Frauen passiert und geht jetzt schnurstracks und.. stellt sich zu Melanie, die sich gerade vom Dicken befreit hat.

Mann mit der Boxernase. Machense sich koine Sorge!  Der Herr hier wollt sie nur vor dem da beschütze! (Schreit mit in die Hüften gestemmten Armen Raphael zu): Kumm her, dreckscher Hawaaak, wennt manns genug bischt!

Melanie. Lassen Sie uns in Ruhe, es geht um ein Mißverständnis! Raphaäll? Wo kommen nur jetzt die ganzten Loite här?!  Du dämlicher Idioot!

Raphael. Mein Herr!  Ich wollt, meine Herrn, meine Damen, ich wollt hier was essen und...

Die vierte Dicke (den Zeigefinger drohend schwingend).  Mach disch blooß nett lustisch üwwer die Loit, „moine Dame un Härrn“ sachter?, ha!

Hähnchenmann (flehend). Ear, war fräsch wie Dreck! Arr!  Wie Rotz!  Badderiiihühnerbude gesagt !!

Der erste Dicke.  Ah so?  Sind des keine Badderiehühner!

Hähnchenmann. Ha! Sehn Sie ees! So schnell geht des! Er wollt mir das Geschäft..

Der zweite Dicke (ärgerlich und böse schauend, mit gezwungen milder Stimme). Des dürfen sie au nett machen, junger Mann, der Härr hier is gewääbetraibend und..

Der ältere, leicht torkelnde Mann. Sowas kommt debei heraus, wemma sich des, was mer sacht, net zwaima übberleescht, junger Mann ..

Die zweite Dicke  (mit über dem Busen verschränkten Armen rufend, den Kopf dabei weit vorstreckend). Des muß ihne oine Lehre soin!

Der ältere, leicht torkelnde Mann. Wie könnense auch soowas saache? (Nimmt Raphael an der Schulter:)  Bevor man soo etwas saacht:  Fragen!  Erst fragen (Zeigefingerwippend)!

Die vierte Dicke. Jaja, genau, da fragt man erst mal, wenn sie kaine Badderiehühner wollen, brauchen sie keine essen ...

Der Hähnchenmann. .. das sind kein..  

Der erste Dicke (mit dem ganzen Körper nickend). Das wisse ma ja jetz, aber der Mann hätt ..

Die dritte Dicke.  ... fragen sollen, genau! Jetz weißer, dasses koini sinn, des geht auch ohne Fräschhaide!

 Chor der dicken Kinderwagenfraun. Jaja. So geht’s . Ab und an. Immer erst fräsch werden, na ja, so macht ma seine Erfahrungen !!

Der drahtige Mann mit der Boxernase. Allso, es näckschtemo bischt anständisch, isch muß jetz uffde Zuch.. (ab)

Der ältere, leicht torkelnde Mann. Geben sie dem Mann doch sein Huhn!


Die Passanten verlaufen sich allmählich, verschwinden größtenteils im Bahnhof...


Hähnchenmann. Der hat gsagt, isch tät so Assoziale wie ihn beschäftige! In maine Hühnerfarm, ...

Raphael.  Er hat dem Wogen der Emotionen mit stoischer Geschocktheit bei offenem Munde staunend gelauscht, ..

Melanie (Mit Fußstampfern ihn quasi aufweckend) Raphaäl, komm wir gehen

Hähnchenmann. Loss disch hier am maim Imbiß niie wiieder..

Raphael  (plötzlich aus der Starre erwachend) Jetz reichts!  Ich hätt nicht übel Lust, dir grad deinen Bratspieß in deinen fetten Ranzen zu schieben!  (Melanie reißt ihn fort,..)  Du hast mir den Tag versaut Arschgesischt!

Der dicke Hähnchenmann (macht zufrieden).  So, ha!; jetzt! (Seine Augen blitzen lüstern ekstatisch auf.. Reißt sich die Schürze herunter, nimmt den Bratspieß zur Hand,...)

Melanie  (schiebt Raphael auf die Straße, -als die Tür des Imbißwagens aufgeht, fangen beide an zu rennen      in diesem Augenblick kommt ein Polizeiauto/ es kann auf der Bühne, wie auch der zweite Polizist natürlich ruhig „unsichtbar“ bleiben)..

Der Hähnchenmann (steht mit dem Bratspieß in der Hand mit rotem Kopf auf der Straße.)

Melanie. Und duu hast mir den Tag versaut, Raphaäll! (Beide nur noch von weitem)

Erster Polizist  (steigt aus dem Polizeiauto, welches vor der Imbißbude gehalten hat, zum Hähnchenmann). Was machen Sie denn?  Isses Ihnen e bissel zu wohl, he?

Hähnchenmann (Zeigt hilflos in die Richtung, wo Raphael und Melanie verschwunden sind). Da, da dess war versuchte Geschäftsschädigung!!

Erster Polizist. Ja was stehens denn mit dem Spieß hier draußen?

Hähnchenmann (Zeigt erneut hilflos in die Richtung, wo Raphael und Melanie verschwunden sind). Da, da dess war versuchte Geschäftsschädigung!!

Zweiter Polizist (aus dem Autofenster lehnend). August, wir müssen weiter, komm,  und sie?, sinn se noch ganz discht?, wissense was se mit sonem Schbieß da anrichte können, ja?

Erster Polizist (freundlich, ermunternd). Ja, wurden se denn bedroht?

Hähnchenmann. Ich,- (winkt ab, guckt den Spieß verlegen an, läßt ihn kopfschüttelnd sinken,) ich bin bidderbös ausgeschrieje un verhöhnt worten!

Zweiter Polizist (aus dem Wagen)  Awwer angegriffe wurden se nett?

Erster Polizist.  Hat ihne jemand die Ware beschädischt? Odder so was?

hnchenmann. Angepöbelt wurd ich!

Zweiter Polizist (aus dem Wagen). des is kein Grund sich da provoziere zu lasse, wir gehn der Sach jetz nett weider nach, wenn se wieder belästischt werden, rufe se an..August, auff!

Hähnchenmann (beflissen, charmant und zart).  Danke, danke ..

Erster Polizist  (steigt wieder ins Auto und schließt die Tür).

Zweiter Polizist  (beim Anfahren des Wagens aus dem Fenster rufend). Lassen sie sich nicht provozieren, wenn se in der Öffentlichkeit verkaufe, müssen se auf so was gefaßt sein, sie wissen ja, wie die Loit hoitzutach sinn, nix fer ungut, un passense auf (-deutet auf den Spieß-) mit som Ding da, gell ..

Hähnchenmann (kratzt sich am Hinterkopf- ). jaja, sicher doch, ich wollt den bloß erschrek.. 

Polizeiauto (fährt weg)

Hähnchenmann (schnauft in seinen Imbißwagen).

Hähnchenmann. Ja! isch waises, was man damit anrichten kann!  ( Mit beleidigtem, schmerzlichem Blick haut er den Spieß in eine Serie roher Hühner)   hmmf , in den fetten Ranzen, hat er gsagt, Arschge..so ein Aasozialer..(er schluchzt, bindet sich die Schürze wieder um und putzt sich die Nase)


Danach in einem kleinem Café im Wohnzimmerlook, Fensterplatz mit Vorhang und Gardinen:


Melanie. Raphaäll, du hast kein Mitgefühl mit deinen Mitmänschen! Du bist ein Prolet!

Raphael (rührt deprimiert schweigend in der Kaffeetasse). Hochbesonnen wars nicht..

Melanie. Wenn ich heute nicht gewesen wäre, wer weiß, wie das ausgegangen wäre.Mh?

Raphael. Ei Mensch! Ich wollte wissen, obs Batteriehühner sind. Sowas eß ich nämlich nicht. Nicht nur wegen den armen Hühnern an sich. Die Männer stehen knietief in Hähnchen und sortieren die! Die Hühner haben oft Riesen-Abszesse und Eitergeschwüre und stinken schon, wenn sie in die Bude kommen. Was zu sehr stinkt, geht in die Tortellini-Fabrikation...

Melanie. Du hättest anständig fragen sollen, ..

Raphael. Das habb ich doch, schlürf ..

Melanie. Du hast kein Feingefühl. Es kommt auf die Wortwahl an. Man frägt: >Nicht wahr? Das sind sicher keine Batteriehühner?< und schon wärst du aus dem Schneider gewesen! stattdessen:  >Sint – dass - Batteriehühner!< , ha!

Raphael. Echt?  Ja, interessant!  Magst recht haben. Aber der hätte dann was anderes probiert. Schon das Wort war ihm Anlaß, böse zu sein. Und ich sag dir: Es zu genießen, böse zu sein.

Melanie. So wie du! 

Raphael. Wass!?

Melanie. Das war ein feiner Mensch! ( Raphael hält indessen beide Hände vor den Mund)  Man muß mit den Menschen umzugehn wis..

Raphael. Haarr, hajahahahaharrr, hoarr, (er hustetein feiner Mensch, duu bist süß, du solltest im Zoo arbeiten. Sicher, wenn du von ausgehst, daß die halbe, was sag ich, die ganze Menschheit wahnsinnig, blutrünstig, ja besessen ist, da war das ein recht empfindsames, zartfühlendes Menschenschwein! Ein Schwensch! Eine süße Kreuzung. Nur mit Classeéhandschuhen anzufassen, auf Zehenspitzen, sonst beißts!

Melanie. Jaa! Wenn du willst! Was glaubst du, wie ich es bei dir sonst aushalte?

Raphael. ?!     

Melanie.    Hjaa! (sie nickt eifrig und überzeugt)

Raphael. Aber das war doch absolut ungerecht und beschissen!  Hast du etwa nicht gemerkt, wie der ganze Mob nur auf seiner Seite war, weil er so ausgesehen hat, wie sie alle!?

Melanie. Raphaäll! Diesen Fehler habe ich vor einiger Zeit auch noch gemacht! Man darf die Menschen nicht nach ihrem Äußeren und Aussehen beurteilen! Wer das macht, ist für eine gerechte Menschenführung ungeeignet! (schlürft bedächtig Kaffee)

Raphael. Menschenführung? Die hätten mich doch am liebsten alle kalt gemacht! Die haben sich doch geärgert, daß ich dem nicht auf die Hühner gerotzt, oder dir wenigstens wohin-gegriffen hab! Die wußten gar nicht, daß wir ein Paar sind. Ein beweibter Mann ist schließlich in denen ihrer Brille in der Regel so schnell kein Verbrecher!

Daß sie ihre Lust auf Action nicht stillen konnten! Einen lynchen!? Zugeben täts von denen keiner, woher denn (zeigt den Vogel), die wissen alle gar nich wie runter sie sind!

Menschenführung? Darunter versteh ich in diesem Fall nur noch, das nächstemal in Uniform ein Hähnderl zu kaufen!

Fett, ungestalt, lüstern auf starke Emotionen, öffentliche Frauen -, Leichen -, Hähnchen-schändungen!  Auf Schlägerei, mit dem Alibi, auf der Seite der „Guten“ zu stehen um endlich wieder für Recht und Ordnung die Fäuste zu schwingen. Für oder gegen die Ausländer! Das kommt halt drauf an, wohin sie ihr Fernsehn gerade hetzt!  

Melanie. Sprich nicht so laut!   (Sie sieht sich beängstigt um) Du hast ein Organ! Ich will nicht schon wieder Ärger!  Du redest ausländerfeindlich daher!

Raphael. Du und Ärger, dir wollten sie sogar helfen gegen mich! Ich hab hier Ärger gehabt! Weil ich nicht so aussehe und nicht so stinke wie der Mob! Wenn diese Leute von vorhin zum Beispiel gegen Ausländer gehetzt werden, gehen sie gegen solche harmlose Einzelgänger-naturen wie mich als erstes los! 

Melanie. Die Selbstmitleidstour des Einzelgängerschens!  Ich komm darauf zurück! Einzelgängerei ist eine Form der Schwäche! Stinke ich etwa? Um deine Wortwahl..

Raphael. Nicht gegen die Clansbonzen von Mafias oder fanatischen Religionscliquen! Nein!

Gegen Einzelgänger, denen jeder Haß eigentlich fremd ist! Und die keine Horde und Kollektivgesinnung haben, und niemanden, der ihnen beisteht, wenn nicht gerade ein guter Freund da ist! Die kannst du nicht mal feige nennen, weil sie in der Masse gar nicht wissen, was sie tun. Zu-, bei fünf fangen sie an, zu zehnt, zu fünfzigst sind die zu allem fähig, Männlein wie Weiblein. Aber vollkommen frei von Schuldbewußtsein, die  e r i n n e r n  sich nachher nicht mal mehr an was. So! War ne kleine Lektion für dein Poesiealbum: „Der kleine Menschenführer!“  Und wenn sie sich für die Ausländer engagieren, dann stehen sie auch wieder nur zu denen, die grob sind und in der erpresserischen Masse auftreten..  Die Einzelnen haben sie immer verfolgt!  Die, die innerlich frei und unabhängig sind, und die, die das werden wollen.

Melanie. Verfolgt!(zärtlich höhnend) Es ist heutzutage fahrlässig, in dieser unseren Gesellschaft von Verfolgung zu sprechen!  Das ist ungerecht gegenüber Menschen in und aus Ländern, wo wirkliche Verfolgung herrscht! Menschen von der Straße verhaftet werden!

Es ist schlimmer als pubertär, wie du dich aufführst!

Raphael. Und  w e r  wird denn von der Straße verhaftet? Menschen wie du und ich! Doch nicht der Hähnchenmann!? Oder die Dicken da!?

Es geht nicht immer um reale Verfolgung, Melanie! Sondern um jegliche latente Veranlagung des Pöbels, seine Sucht auf Verfolgen zu stillen. Da genügt ein entscheidender Job auf ner Verwaltung, um Leuten, die nicht so stinken wie sie, irgendwelche Genehmigungen nicht zu erteilen, Gelder zu streichen, etzeterah! Sicher, im Augenblick haben sie nur diese Möglichkeiten, Menschen mit innerer Aufrechte-die riechen sie- zu schädigen! Ich will meinen Frieden! Ich hab kein Bedürfnis auf denen ihren ständigen Haß da!

 Melanie. Ha! Du und kein Haß!  Was empfindest du denn gerade! Dem „Mob“, wie du sie nennst-  gegenüber!  Menschen,  die eben der Führung bedürfen. Charaktere brauchen, die mit ihnen umzugehen wissen!

Raphael. So, wie du einer bist?

Melanie. Na sicher! zwar bin ich noch nicht ganz so erfahren, aber ich darf wohl sagen: Ich strebe es an, mir die Charakterfähigkeiten zu sichern, die zur Menschenführung vonnöten sind. Diese Menschen  brauchen Verständnis und nicht Haß, wie du ihn empfindest! Du bist eben primitiv und ein Rohling. Du mußt noch hart an dir arbeiten! Und haha, Einzelgängertum! Das ist ein Zeichen von Feigheit und Schwäche! 

Du hast es dir selbst zuzuschreiben, daß du ein Einzelgänger bist. Du kommst ja mit niemandem klar, du bist immer grob und direkt und kennst kein Fair-play. Im Leben muß man sich arrangieren. Der Mensch ist für die Gemeinschaft geschaffen.

Raphael. Der Mensch vielleicht schon! Aber das Vieh ist für die blinde Herde geschaffen! Da machts die Masse! Mit ihren Stimmchen an der Wahlurne! Die eingefangen werden wie heut von unserem jammernden Hähnchenmann. Aber das war nicht seine Klugheit, die die Loite gleich naht-los auf seine Seite zog! Das war tierischer Instinkt! Das viehische Geschäftigsein, was  j e d e m  Einzelgänger fehlt, weil er dem Menschen etwas näher steht als dem Affen, oder dem Schwein!!

Melanie. Ich sag dir eins! Es ist das ja nicht das erstemal heute, wo du gescheitert bist!

Raphael. Sag mal, sind wir hier inner Geheimdienstausbildung, Menschenführerschein? Wenn ich dafür bezahlt werde, werde ich auf der Stelle zum Hühnermann gehen und ihm soo (er breitet die Hände aus)  was sülzen, ihm den, den Arsch lecken

Melanie (schaut entsetzt aus den Augenwinkeln).   .. wir sind hier in der Öffentlichkait, Raphaäll, ...

Raphael.  .. daß er mir ein Huhn, ach, du blöde..

Melanie. .. das läßt du schön bleiben, nach dem, was du da geboten hast!  Es ist ja nicht das erste mal!   Wenn ich an Spanien denke, wo du   a m  g a n z e n  L e i b   gezittert hast, als sich uns eine K u h h e r d e   genähert hat!  Wenn solche Harmlosigkeiten zu solch feigen Reaktionen, zur Besinnungslosigkeit bei dir..

Raphael. Ähem, darf ich was sagen?

Melanie. Aber bitte schön, so bin ich, siehst du, duu würdest das Wort nicht gleich freiwillig hergewn..

Raphael. Ich hab..

Melanie. Aach, ich waiis, Raphaäll, das ist kein Argument..

Raphael. ..im Prospekt gelesen, daß in dieser Region die stolzen Stiere, die in den Arenen auftreten sollen, auf eben diesen Weiden gehalten und herangezogen würden, ne Herde wilder Stiere, weißt du, wenn ich dafür gut bezahlt würde..

Melanie. da hättest du auch gezittert, und dann: Kühe nicht von Stieren unterscheiden können, ..

Raphael.  .. auf diie Entfernung ... 

Melanie. .. gezittert .. !!

Raphael.  ... sie kamen näher! .. 

Melanie.  ... eine Lappalie, es gibt Gegenden, da ist Krieg und..

Raphael. Da zittern sie auch..

Melanie. Da werden sie auch nicht bezaahlt, ch, ch, ch, hä ä ä

Raphael. Ich schäm mich ja auch..

Melanie. Raphaäll! Sich scheemen bringt nichts, daß sage ich dir schon zum wiederholtenmal!

Raphael.  Arrh !!

Melanie (betont kühl). Was geschehen ist, muß man hinnehmen!

Raphael.  Weißt du, ich darf echt gar nichts mehr! Nicht mal mehr..

Melanie.  Scham ist einfach Schwäche!

Raphael (sieht sie hilflos böse an). Weißt du, wenn ich dich nicht so lieben würde..

Melanie. Was ich an dir liebe, ist deine Ährlichkeit.

Raphael. Meine Dummheit!

Melanie (lächelt selbstbewußt emphatisch mit schiefgelegtem Kopf). Nein, die Ehrlichkeit. Und Dummheit-  kann man beheben! Du weißt, du sagtest es auch selber wiederholt, daß Intelligentz lärnbar ist!    (rührt mit einem gespielt „plötzlich vollkommen ausdrucks-und bewegungslosem Gesicht“ im Kaffee)

Raphael. Also, mit jedem gesunden Menschen hätt ich bei diesem Krawall vorhint jetzt gelacht und gesagt „Diese Idioten! Schwamm drüber!“ und hier bei dir trage ich die Schuld daran, aber bereuen dürfte ich auch nicht, wenn ich wollt..

Melanie. Ich möchte davon jetzt nichts mehr hören ( sie verzieht angewidert das Gesicht, senkt den Kopf und rollt die Augen gegen die gerunzelte Stirn kurz auf Raphael):

Bedenke, was du betreffs Bratspieß zu ihm sagtest !!

Raphael. Pfffffffffffff!  ( Raphael läßt traurig das Haupt sinken)

Melanie. Schau mal, süß, was auf dem Würfelzuckerpapier steht! „Willst du der Zukunft etwas schenken, so pflanze einen Baum! Willst du der Mänschhait etwas schenken, so baue ein Haus! Willst du aber der Ewigkeit etwas schänken, erziehe einen Mänschen!“ (sie schaut ihn andächtig an)

Raphael (putzt sich die Nase und kramt ein altes buntes Bonbonpapier aus der Tasche und tut so, als täte er lesen)  Willäm Busch: Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan. Der Mohr kann kaum noch gehn! Frei nach Schüller.

Melanie. Idiot! (sie zündet sich eine Zigarette an, blinzelt Raphael überlegen zu  und raucht, während der Vorhang zugeht)


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